Eine Halbzeit waren sie dem Tabellenzweiten Viktoria Köln mindestens ebenbürtig, spielten gut, standen kompakt und hatten auch eine Riesenchance, in Führung zu gehen. Doch der zweite Abschnitt gehörte dem Aufstiegskandidaten, der mit Engagement, Einsatz und etwas Glück das Spiel entschied. Angesichts der Chancen in der zweiten Halbzeit letztlich verdient.
“Die Kölner haben mehr Druck”, hatte RWE-Trainer Sven Demandt vor dem Anpfiff gesagt. Sein Argument: Als Tabellenzweiter liegt der Gastgeber noch aussichtsreich im Titelrennen und hat immerhin neun Punkte mehr auf dem Konto als seine Mannschaft, die ihrerseits als Verfolger dem Spitzentrio hinterher hechelt und lediglich, wie es heißt, den Rückstand nach oben verringern möchte. Doch einfach so wollte sich die Viktoria die Favoritenrolle nicht aufdrängen lassen. “So locker wird RWE auch nicht ins Spiel gehen. In bin mir sicher, dass sich Essen intern noch kleine Chancen ausrechnet und oben anklopfen will”, mutmaßte Kölns Trainer Marco Antwerpen. Seine Einschätzung verhieß jedenfalls Spannung: “Essen liegt mit uns, Dortmund und Mönchengladbach auf Augenhöhe. Da entscheiden nur Kleinigkeiten. Wir werden für den Sieg hart arbeiten müssen.” Und das bestätigte sich in der von beiden Seiten verbissen geführten Hälfte eins.
Trainer Demandt hatte sein Team leicht verändert im Vergleich zur Formation vor der Winterpause. Richard Weber spielte für den verletzten Jan-Steffen Meier in der Innenverteidigung, Patrick Huckle verteidigte rechts vornehmlich gegen Timm Golley, Kevin Grund auf links.
Es dauerte nur fünf Minuten, bis RWE-Keeper Robin Heller erstmals eingreifen musste. Nach einem Freistoß von Mike Wunderlich war er bei einem Kopfball von Daniel Reiche reaktionsschnell abgetaucht. Die Essener, engagiert und robust in den Zweikämpfen, hatten die hochkarätige Offensive, immerhin die bislang erfolgreichste der Regionalliga, dennoch ganz gut im Griff. Nach einem dicken Bock von Weber hatte Sven Kreyer, der Ex-Rot-Weisse, die Führung für Köln auf dem Fuß. Allein vor dem Tor scheiterte er an Heller (11.).
Zwei Chancen besaß aber auch RWE und in der Qualität waren sie wahrlich nicht schlechter. Nico Lucas steckte klasse durch zu Marcel Platzek, der sich geschickt vom Gegner löste, aber den Ball verzog (8.). Der zweite Versuch hätte aber sitzen müssen. Bednarski wühlte sich bei einer seiner wenigen auffälligen Szenen im Strafraum, die Kugel kam zum frei stehenden Platzeck, der nicht lange fackelte. Hätte er vielleicht besser mal, um den Ball besser zu platzieren. Seinen ziemlich zentralen strammen Schuss lenkte Eichmeier allein auf der Linie stehend über die Latte. “Sensationelle Tat,” schwärmten die Kölner Fans, gleichwohl es war eine Hundertprozentige, die kann man auch mal machen.
Die Essener hatten es dennoch gut gemacht, hielten den Gegner in Schach und spielten zeitweise auch ganz ordentlich nach vorn, auch wenn nur wenig dabei heraussprang.
Knapp eine Viertelstunde lang beackerten die Gastgeber nach der Pause den Rasen im Höhenberg Sportpark. Die Kölner versuchten, mehr zu investieren, doch gegen die kompakte gegnerische Deckung musste der Zufall helfen. Bednarski sprang der Ball vor dem eigenen Strafraum unglücklich an die Hand. Freistoß. Sascha Eichmeier, der Retter von Hälfte eins, nahm aus zwanzig Metern Maß. Die Kugel krachte an die Unterkante der Latte (61.), Heller hatte sich verschätzt und die Arme schon nach unten genommen. Glück für RWE. Ebenfalls zwei Minuten später, als Wunderlich nach einem Konter an Essens Keeper scheiterte.
Die Kölner hatten aber nun mehr Spielanteile und suchten konsequenter den Weg nach vorn. RWE reagierte nur noch. Und dann passierte es: Nach einer kurzen Abwehr nahm Michael Lejan aus 20 Metern Maß und hämmerte den Ball mit Präzision ins Netz zum 1:0.
RWE suchte nach Antworten. Trainer Demandt half mit zwei neuen Offensivkräften. Frank Löning und Roussel Ngankam kamen in die Partie. Die beiden spielten allerdings beim Ausgleich keine Rolle. Kapitän Baier traf nach Doppelpass mit Platzek aus 18 Metern zum Ausgleich. Es war die erste Chance für Rot-Weiss nach der Pause.
Der Jubel wurde schnell erstickt. Mike Wunderlich, Kölns Torjäger Nummer eins, zog ab, nicht hart, nicht platziert, aber wie auf dem Billardtisch rollte die Kugel mehrmals abgefälscht durch die Abwehrreihen und kullerte schließlich über die Linie zum 2:1.
Die Gastgeber verdienten sich diese zufällig Führung. Heller parierte gegen Kreyer (83.) und zweimal hatte Gottschling (87./88.) die Chance einzunetzen, einmal verpasste er eine scharfe Hereingabe, dann traf er nur den Innenpfosten. Die Schlussphase gehörte ganz klar dem Tabellenzweiten. Der Sieg war verdient.